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  7. Dezember
Arequipa
Peru
Ruth
  Keine Bange, wir sind wieder aus der Wüste aufgetaucht.

Von Pisco setzten wir unsere Reise fort, fuhren aber nur gerade 30 km bis zum kleinen Ort El Chaco, welcher sich am Eingang zum Reserva Nacional Paracas befindet, wo sich viele Vogelarten, wie Cormorane, Blaufusstölpel, Pelikane, Flamingos, ja sogar der Anden Condor und Humboldt Pinguine tummeln. Eigentlich wollten wir an diesem Tag noch bis zum über 70 km entfernten Huacachina weiterfahren. Es war aber bereits Mittagszeit und der Südwind fegte ordentlich über die Wüste. Wir wussten, dass er sich bis im späteren Nachmittag nur noch verstärken wird. So entschlossen wir uns, einen Nachmittag in El Chaco zu verbringen. Am nächsten Tag brachen wir früh auf und fuhren durch die Ica-Wüste, vorbei am grössten Wein- und Spargelanbaugebiet Perus, erreichten die Stadt Ica und radelten zur ca. 5 km entfernten Oase Huacachina. Der Ort liegt zwischen riesigen hohen Sanddünen an einer kleinen Lagune, welche von Palmen und einigen teuren Hotels, in denen vorwiegend Touristengruppen nächtigen, umgeben ist. Touristenattraktionen sind dort Dünenwanderungen, Allradtouren (sehr lautes Motorengeknatter) und Sandboarding.

Nächste Station war der über 100 km entfernte Ort Palpa, der plötzlich wie aus dem Nichts in der Wüste auftauchte. Wie jeweils nach unserer Ankunft am Tagesziel üblich, schlenderten wir am Abend durch den Ort und suchten in verschiedenen Kleinläden unsere Esswaren zusammen, die wir fürs Frühstück und unterwegs benötigen. Frische Brötchen gibt es in peruanischen Bäckereien ausserhalb grosser Städte oft erst am Nachmittag zu kaufen. 10 Brötchen erhält man für 1 Sol, was ungefähr einem Drittel US-Dollar entspricht. Die Esswaren sind für unsere Verhältnisse überhaupt dermassen billig. Zum Beispiel für ein Kilo Mangos bezahlen wir nur gerade 2 Soles. Wie schon vorher in anderen Orten wurden wir auch in Palpa von den Leuten betrachtet, wie wenn wir von einem anderen Planet herkämen, denn in diesen Ort verlaufen sich keine Touristen.

Weiter pedalten wir durch das flache, dunkelsandige Gebiet der San Juan-Wüste, vorbei an den Nasca Lines nach Nasca. Bis heute gibt es verschiedene Theorien darüber, was die riesigen, sich auf 1´000 Quadratkilometern ausbreitenden Linien, Trapezoide, geometrischen Figuren, verschiedenen Pflanzen- und Tierformen, die von den Nascas in die Wüste gezeichnet wurden, bedeuten sollen. Zu sehen sind die Zeichnungen am besten aus der Luft. Es ist ein Touristenmagnet. Kleinflugzeuge starten schon ab 6 Uhr früh ab Nasca und fliegen Touristen über das besagte Gebiet. Wir konnten einige der Geoglyphen und Linien von kleineren extra dafür installierten Plattformen aus besichtigen. In Nasca trafen wir zufälligerweise wieder die CH/NL-Familie Vink auf einem Campingplatz. Das Ehepaar Vink ist mit ihren zwei Kindern per Pickup und Wohnwagen ebenfalls von Nordamerika nach Patagonien unterwegs. Sie hatten uns in der Ica-Wüste auf der Panamericana Tage vorher überholt, hielten an und wir unterhielten uns ein paar Minuten. In Nasca luden sie uns am Abend zum Kaffee in ihren Wohnwagen ein. Der Abend verging schnell, es gab so viel Gesprächsstoff. Ihre Webadresse lautet:
www.vlinderen.com/finchroad

Am frühen Morgen brachen wir nach Lomas auf, ein kleiner Fischerort, für uns der nächste Versorgungsort. Über 90 km führte der Weg wieder durch die einsame, immer wieder aufs Neue faszinierende Wüste. Von einem unerwartet schönen Kleinhotel konnten wir am Abend einen tollen Blick aufs Meer geniessen, beobachteten Seelöwen und auf den vorgelagerten kleinen Inselchen entdeckten wir neben verschiedenen anderen Vogelarten eine Cormorankolonie.

Nach einem reichhaltigen Frühstück brachen wir auf zum wieder über 90 km entfernten Puerto Inka wo sich Inka-Ruinen befinden. Es wird vermutet, dass diese Bucht von den Inkas früher als Handelshafen genutzt wurde. Auf der Fahrt dorthin blies uns ordentlicher Südwind entgegen. Deshalb erreichten wir unerwartet spät nachmittags müde die Abzweigung zur Bucht. Auf einer Tafel stand, bis zum Hafen seien es 1,8 km. Aber denkste, es waren über 3,5 km Sandpiste mit recht steilen Abschnitten zum Meer hinunter. Der Abstecher lohnte sich aber doch. In der Bucht befindet sich ein kleiner Touristenresort mit Bungalows. Die wenigen Touristen, die sich dort aufhielten, konnten wir an einer Hand abzählen, es war nicht viel los und deshalb ausser dem angenehmen Meeresrauschen sehr ruhig.

Natürlich mussten wir am nächsten Tag die 3,5 km wieder bergauf pedalen. Das ging fast problemlos, denn wir waren ja erholt. In zwei Tagen radelten wir über 190 km über Atico nach Ocoña durch die fantastische Pampa Blanca, ein Gebiet mit enorm hohen Sanddünen aus, wie einem Teil des Namens ja zu entnehmen ist, weissem Sand. Die Dünenstrukturen und der Strassenverlauf entlang der Küste waren einfach der Hit. Dann folgte die Pampa Cortaderas. Die Wüstenlandschaft ging in kargere, steinige Abschnitte mit vielen Kakteen über. Die Strasse führte lange in etwas erhöhter Lage, aber über unzählige Andenausläufer, direkt am Meer entlang und wir genossen grandiose Blicke auf die vor uns liegende Küstenlinie. Es war überhaupt die schönste Küstenstrecke, die wir in unserem Leben je gesehen haben. An einer Stelle mussten Bauwagen riesige Sandberge von der Panamericana wegschieben, da die LKWs und wir diese Stelle nicht mehr hätten passieren können. Der Wind blies dermassen stark vom Meer her und wehte den Sand voll auf die Strasse und natürlich auf uns. Der Sand klebte nur so auf unseren mit Sonnencrème eingecremten Körperteilen, von den Veloketten und -kränzen gar nicht zu sprechen.

Ruth geniesst die Küstenwüste und das Meer

Wo es Flussmündungen gibt, wird die Wüste an vielen stellen kultiviert. Mais, Spargeln, Bohnen, Tomaten usw. werden angebaut. So auch in Ocoña, der Ort befindet sich in einem Flusstal. Wild campen wollten wir dort aus Sicherheitsgründen nicht. Es gab aber nur zwei primitive Übernachtungsmöglichkeiten, die eine war dermassen schäbig und dreckig, die andere konnten wir uns für eine Nacht eher vorstellen, war aber auch nicht gerade ein Highlight, doch die Zimmer waren zu klein, um unsere Velos hinein zu nehmen. Da sich in diesem Haus noch eine Wohnung im Rohbau befand, fragten wir, ob wir unser Zelt in diesem Teil des Hauses aufstellen dürften. Der Besitzer willigte ein. Die ganze Atmosphäre im Ort und auch in diesem Haus war aber alles Andere als angenehm. Die Frau des Hotelbesitzers mochte offensichtlich keine Gringos, sie würdigte uns kaum eines Blickes. Wir entschlossen uns, in einem Chifa Restaurant, das sind Chinesen-Restaurants, die es im Land beinahe in jeder Stadt gibt, essen zu gehen und uns dann möglichst im Zelt aufzuhalten. Während der ganzen Nacht wurden wir mehrmals geweckt durch laufende Motoren von LKWs und durch das Schreien eines Irren auf der Strasse. Es kam uns wirklich vor, als ob wir uns in einem Dorf von Irren aufhielten.

Als wir uns am nächsten Tag von der Gastgeberin verabschiedeten, brachte sie nicht einmal ein Wort über ihre Lippen. Sie war gerade damit beschäftigt, den Restaurantboden aufzuwischen. Wir bedankten uns für ihre "Gastfreundschaft" und waren froh, als wir endlich wieder in die Wüste radeln konnten. Auf den Strassen fuhren wir alleine mit Bussen und LKWs, Privatfahrzeuge überholten uns nur selten. Da sich viele Leute keine eigenen Autos leisten können, ist der Bus oder in den Ortschaften das Taxi ihr einziges Transportmittel. Viele LKW-Chauffeure rissen an ihren Hupen und winkten uns unterwegs zu, oder hielten den Daumen hoch. Ab Camaná verlässt die Panamericana die Küste und führt inland über die Berge. In zwei Tagen kletterten wir von der Küste zur zweitgrössten Stadt Perus, Arequipa, wieder auf 2´300 m Höhe. Arequipa wird auch Ciudad Blanca genannt, viele Gebäude wurden hier mit weissem Vulkangestein erbaut. Die Stadt befindet sich am Fusse des 5´822 m hohen Vulkanes Misti und nahe des Colca Valleys, zwei bekannte Touristendestinationen. Da wir seit Pisco praktisch ohne Pausentag durchgefahren sind, wollen wir uns ein paar Tage in Arequipa erholen, einen Ausflug zum Colca Canyon unternehmen, der doppelt so tief wie der Grand Canyon in den USA sein soll. Zudem werden wir vielleicht die Gelegenheit haben, Anden-Condore, die in diesem Canyon nisten, bei ihren morgendlichen Flügen beobachten zu können. Es ist der grösste fliegende Vogel der Welt mit einer Flügelspannweite bis ca. 3,3 m.

Wir haben es nicht bereut, dass wir nach den Wetterkapriolen in den Bergen die Küstenroute wählten. Das Wetter war durchwegs super. Unsere warmen Kleider befinden sich tatsächlich schon längere Zeit im unteren Teil der Taschen. Unterwegs wurden wir öfters von Peruanern und auch Reisenden mit Motorrädern angesprochen. Die Gringorufe und Hundeverfolgungen nahmen drastisch ab. Der Verkehr auf diesem Abschnitt der Panamericana war angenehm. Trotzdem hatten wir aber auch auf der Küstenstrecke viele Höhenmeter zu überwinden, da die Andenausläufer steil ins Meer abfallen. Auch mental fordert einem die Fahrt durch die Wüste, oft sieht man den Strassenverlauf km-weit voraus, die Distanzen sind sehr schwierig abzuschätzen und es flimmert nur so am Horizont.

Bald geht es weiter Richtung Bolivien und somit wieder in höhere Gefilde.


 
  18. November
Pisco
Peru
Horst

  Die harte Strecke in der Entenschlucht sollte nicht die letzte Herausforderung gewesen sein. Von Huaraz bis Huanuco benötigten wir 5 anstatt der kalkulierten 4 Tage. Horst litt an einem Tag etwas an Höhenkrankheit und quälte sich von einem Ort, an dem wir campten, zum nächsten Ort mit fester Unterkunft. Wir waren zwar in Ecuador schon über 4'300 m Höhe, aber in den Cordillera Blanca hielten wir uns mehr als 24 Stunden zwischen 4'100 und 4'800 m Höhe auf. Einmalig waren die Ausssichten auf die Cordilleras Blanca und Huayhuash, wir hatten wirklich Glück, denn nicht jeder Tag war so sonnig.
Auf der Route nach Huanuco kamen wir durch sehr abgelegene Indígenas-Dörfer, und wir wurden manchmal wie Lebewesen von einem anderen Stern begafft, logisch, mit unserem galaktischen Outfit.Wie sehr wir als die Lösung von uns unbekannten Problemen betrachtet wurden, bekamen wir direkt zu spüren. Ruth wurde in der Markthalle von Huanuco ein Baby angeboten und in einem kleinen armen Bergort von einem Bäcker angefragt, ob sie ihn mit in die Schweiz nehmen würde, damit er dort als Bäcker oder im Reinigungssektor arbeiten könnte. In einem anderen Ort wedelte ein älterer Herr mit seinen Latschen und wollte mit Horsts Bergschuhen einen Deal machen. Oder in einem weiteren Bergdorf fragte eine Frau mit Kleinkind, ob sie etwas Hautcreme für ihr Kind haben dürfte. Täglich werden wir knallhart mit der Realität der hiesigen Armut und unseres Wohlstandes konfrontiert. Es ist nicht einfach idyllisch, wenn man Indígenas mit ihren bepackten Eseln oder Pferden begegnet.

Wir begegnen Indígenas mit beladenen Pferden

Nach dem "Waschtag" in Huanuco, auch Petrus wusch ordentlich von oben, radelten wir in drei Tagen durch das Tal des Rio Huallaga und über ein Hochplateau mit dem Lago de Junín zur hässlichen, lauten und stinkenden Minenstadt La Oroya. Von dort rollten wir zunächst genüsslich durch das enge Tal des Mantaraflusses bis Jauja und dann weiter bis Huancayo durch ein ca. 5 km breites, fruchtbares Landwirtschaftsgebiet. Die Region ist bekannt wegen ihrer Teppichwebkunst.
In Huancayo mussten wir uns entscheiden, ob wir die äussert anspruchsvollen Naturstrassen über Ayacucho nach Abancay oder die geteerte Pazifikküstenroute über Pisco und Arequipa nehmen werden. Wegen der schon zahlreichen Niederschläge entschieden wir uns für die Küstenwüstenstrecke. Allerdings waren noch einige Höhenmeter in traumhafter Bergkulisse zu fahren. Für eine kleine Abwechslung von der Radlerei sorgte eine spannende Zugsfahrt (unsere Räder wurden an der Lok festgezurrt) hinauf vom hektischen Huancayo zum ruhigen Huancavelica.

Alpacas laufen ängstlich weg

Die Schotterstrecke hatte uns wieder, und wir freuten uns über das Geholper, in Begleitung eines jungen peruanischen Rennfahrers aus Lima, welcher angeblich zweimal wöchenlich die Passstrasse hinauf auf den 4'800 m hohen Abra Chonta fährt. Unterwegs wurden wir von einem Videofilmteam aus Lima überholt und später kurz gefilmt und interviewt. Mal sehen, ob sie uns wirklich das Material zukommen lassen.
Beim Herannahen einer schwarzen Wolke kehrte der spärlich ausgestattete Rennfahrer Richtung Huancavelica um, und wir mummten uns windgeschützt hinter einem Felsbrocken für das bevorstehende Unwetter ein. Es fing ordentlich an zu stürmen, und bald schlugen Graupel auf uns nieder. Das Ganze dauerte allerdings nur eine viertel Stunde. Die Passhöhe erreichten wir schon wieder im Trockenen. Bevor wir die Abfahrt hinunter nach Santa Inés in Angriff nahmen, liessen wir es uns nicht nehmen, einen 4 km weiten Abstecher auf den auf 5'059 m hohen Pass Huayraccasa zu machen. Im Gegensatz zu den Höhenproblemen vor Huanuco spürten wir hier absolut gar nichts. Was wir aber spürten, dass waren die Graupelgewitter eine Stunde später. Auf der Abfahrt nach Santa Inés erwischte es uns gnadenlos. Innert kurzer Zeit wurde es schwarz am Himmel und eiskalt am Boden, und der Graupel nadelte von der Seite unsere Gesichter. Das hatten wir uns so nicht gewünscht. Die Schotterpiste färbte sich schnell von braun zu weiss, der Untergrund war nicht mehr richtig auszumachen, und wir balancierten auf der immer matschiger werdenden Piste gen Tal. Unsere Finger bekamen wir trotz dicker Handschuhe nicht mehr richtig warm. Traumhaft und zugleich geisterhaft war die Umgebung. Allerdings beschäftigten wir uns von nun an mehr mit uns selbst. Hatten wir falsch gepokert? Anscheinend. Blitze zuckten um uns herum und Donnergrollen jagte uns ordentlich Schrecken ein. Nach einer halben Stunde im Dunkeln erreichten wir eine Häuseransammlung und hatten Glück. Dank Ruths sanftem Nachdruck und meinem erschöpften Gesichtsausdruck willigte der Besitzer eines einfachen Restaurants zögernd ein, dass wir auf dem Erdboden in seinem Lokal die Nacht verbringen konnten. Nach heissem Tee und 9 Kuchenstücken als Abendessen krochen wir fröstelnd mit unserer Radmontour in die Schlafsäcke.
Am nächsten Morgen um 5 Uhr war Tagwache und ohne Frühstück zogen wir bei frostigen Temperaturen 15 km weiter entlang an der wunderschönen Lagune Choclococha bis zum Bergdorf Santa Inés. Heisse Suppe, Reis, frittierte Kartoffeln und Forelle aus der Zuchtanlage der Lagune (ca. 4'500 m ü. M.) genehmigten wir uns als Frühstück. Gestärkt nahmen wir das vorerst letzte Stück Schotterpiste in Angriff bis zum Weiler Rumichaca. Ab hier strampelten wir wieder auf gut geteerter Strasse. Fünfzehn Kilometer gings bergauf, teils im Regen- und Graupelschauer. Wieder hatten wir Glück. Im Weiler Santa Rosa de Chaupi auf 4´500 m durften wir im Gemeindehaus übernachten, nicht in Betten sondern auf Holzboden. Die Frau und Tochter des Gemeindevorstehers kamen kurz nach dem Einquartieren mit heissem Tee und fragten uns aus. Später folgten noch weitere Kinder und dann der Gemeindevorsteher, welcher sich sehr für unseren Benzinkocher interessierte. Als wir zu essen beginnen wollten, liess man uns alleine.
Der folgende Tag hatte es auf eine andere Art in sich. Nach ca. 25 km in Höhen um 4´500 m folgte eine Abfahrt bis fast auf Null. Ganze 185 km spulten wir bis Pisco, berühmt für seinen Pisco Sour, an der Pazifikküste ab. Als der steilere Downhill nach 70 km sein Ende hatte, traten wir im sehr trockenen Tal des Rio Pisco im starken Gegenwind in die Pedale, und erst als rechts und links die Andenausläufer wichen, nahm der Wind etwas ab. In einiger Entfernung konnten wir bereits riesige Sanddünen ausmachen, das Zeichen, dass wir bald Pisco erreichten. Selbstverständlich liessen wir uns den original Pisco Sour in Pisco nicht entgehen.

Nach einer sehr anstrengenden aber lohnenswerten Tour durch das zentrale Hochgebirge Perus werden wir bis kurz vor Arequipa durch die Küstenwüste radeln. Es herrschen dort wieder ganz andere Klimaverhältnisse als in den Anden. Für eine Weile können wir die warmen Kleider im unteren Teil der Taschen lassen.

 
  1. November
Huaraz
Peru
Ruth
  Zwei Tage verbrachten wir im Casa de Ciclistas in Trujillo, lernten Lucho und seine Familie kennen, tauschten Infos und Erlebnisse mit anderen Radfahrern. Lucho half uns mit seinen Infos, wo wir verschiedene Dinge in der Stadt finden können, sehr. Seine Gästebücher, in welchen sich in den letzten Jahren über 780 Radfahrer eingetragen haben, waren sehr interessant und amüsant und wir fanden sogar Einträge von einigen uns bekannten Rad-Weltenbummlern.
Nicht wie angenommen in 7 Tagen, sondern in 4 Tagen schafften wir 300 km bis in die Stadt Huaraz, die sich auf 3'080 m zwischen den Cordilleras Negra und Blanca befindet. Die ersten 80 km fuhren wir noch entlang der Küstenwüste, bevor wir Richtung Gebirge abbogen. Ein Kontrollposten registrierte nach der Einmündung unsere Namen, denn von nun an bewegten wir uns auf einer Privatstrasse, gleichzeitig eine Naturstrasse. Die Wüste zeigte sich durch das sich verändernde Sonnenlicht immer farbiger, die Sonne brannte erbarmungslos auf uns nieder. Nur noch selten begegnete uns ein Fahrzeug. Nach 105 km erreichten wir Tanguche, ein kleiner Ort im Niemandsland. Ein ca. 10 km entferntes Campamento, welches von einem Brasilianer geführt wird, empfahl uns die nette Ladenbesitzerin in Tanguche als Übernachtungsort. Als wir bei diesem Campamento müde ankamen, wurden wir durch den bellenden Schäferhund erst einmal begrüsst, Minuten später zeigte sich der Besitzer. Wir hatten uns bereits auf Camping eingestellt, José stellte uns aber ein Zimmer mit Bad zur Verfügung. Die Zimmer in der einfach eingerichteten Hütte waren zu dieser Zeit nicht belegt, denn die Arbeiter befanden sich alle im Urlaub. Sogar die Küche durften wir benuetzen und José bereicherte unser einfaches Nudelgericht mit einem Salat aus seinem Garten. Strom wurde im Haus mit einem Generator erzeugt. José tat alles für unser Wohl, wir waren gerührt von seiner Gastfreundschaft. Als wir uns erkundigten, was denn in diesem Campamento gearbeitet wird, verriet er uns, dass es sich um eine Minen-Firma handle, die im Tal des Rio Santa, in welchem wir uns ja befanden, nach Gold schürft. Wir konnten es nicht fassen, hielten wir uns nun tatsächlich bei einem Goldgräber auf. Stolz zeigte er uns im Garten sein selbstgebasteltes Goldschürfermännchen, welches durch Wind angetrieben eine kleine Schüssel - die das Gold vom Sand trennt - schüttelte.

Horst in der Entenschlucht Canyon de Pato

Die nächsten drei Tage bis Huaraz kämpften wir uns durch das fast 200 km lange Flusstal bzw. die Schlucht des Rio Santa immer höher und höher in die Berge, über 100 km auf grobsteiniger, zum Teil abgebrochener Strasse, wenn man diese überhaupt noch so nennen kann. Erdrutsche gibt es in diesem Gebiet immer wieder und riesige Felsbrocken stürzen auf die Strasse nieder, eine nicht ungefährliche Strecke, wie wir feststellen mussten. Einige Busgesellschaften fahren sogar durch die Schlucht. Von diesen Bussen wurden wir jeweils mit Staub eingehüllt, rücksichtsvoll waren die Fahrer auf jeden Fall nicht. Mit einem Sitz im Bus hätten wir nicht tauschen wollen, die Strasse war manchmal dermassen schmal, für Busse äusserst knapp. Der letzte Teil der Schlucht heisst "Canyon de Pato" (Entenschlucht), geprägt durch unheimlich hohe Felswände, die immer dichter zusammen kamen und man an einer Stelle den Himmel nicht sehen konnte. Auf der ganzen Strecke durchquerten wir über 40 Tunnels, darunter ein paar längere, wo wir unsere Stirnlampen benötigten. Da wir das Ende des Tunnels nicht erblicken konnten, fuhren wir manchmal richtig im Zickzack. Es war äusserst schwierig, in dieser Finsternis das Fahrrad gerade zu lenken, der Naturbelag war uneben mit Rillen und groben Steinen. Unterwegs zelteten wir, wenn es keine Unterkunft gab. Dabei mussten wir natürlich darauf achten, dass wir uns an einer Stelle niederliessen, wo keine Steinschlag- oder Erdrutschgefahr bestand.

Unsere Strapazen wurden mit der tollen Wüstenlandschaft, der unglaublich langen Schlucht und vor allem mit der Sicht auf die schneeweissen Gipfel der, wie es ja der Name schon verrät, Cordillera Blanca belohnt, die um 5' bis über 6'700 m hoch sind. Die Regenzeit in den Bergen hat leider bereits begonnen. Wir werden unsere ursprünglich geplante Route durch die Berge noch einmal überdenken und evtl. ein wenig abändern.

 
  24. Oktober
Huanchaco
Peru
Horst
  Von Loja bis an die peruanische Grenze nach Macará sind wir über nicht enden wollende Andenausläufer geklettert. Von der Landschaft her erinnerte es uns an die Region nördlich Oaxaca in Mexico. Die Grenzformalitäten verliefen locker vom Hocker. Der ecuadorianische Zöllner verpasste uns singend den Ausreisestempel in unsere Pässe, und der peruanische Beamte fertigte uns im über der Hose hängenden dunkelgrünen Berlin-T-Shirt ab. Nach 20 Minuten war alles erledigt und schon rollten wir in einem für uns neuem Land. Es ist nicht zu übersehen, hier in Peru sind die Menschen ärmer als in Ecuador. Gleich nach der Grenze hausten einige hinter Plastikfetzen, alten Blechschildern und Bastmatten, Autowrackteile lagen umher, der Erdboden war schwarz vom Altöl, viele Esel und Ziegen weideten am Strassenrand und Hunde mit starkem Haarausfall rannten kläffend hinter uns her. Bienvenidos en Peru.

In 6 Tagen sind wir durch Halbwüste und Wüste bis nach Huanchaco, einem Fischerort am Pazifik gelegen, gefahren, nur 20 km von Trujillo entfernt, der zweitgrössten Stadt von Peru.

Horst kurz vor Olmos, Peru

Jeweils morgens breitete sich leichter Küstennebel über diesem Gebiet aus. Für uns war dies perfekt, denn so wurden wir von der sengenden Sonne verschont und auch der übliche Gegenwind setzte meistens erst um die Mittagszeit ein. Unterwegs begegneten uns viele Menschen mit Eselskarren, die bei weitentfernten Stellen mit Kontainern Wasser für ihre Hütten holten. In Huanchaco haben wir nun wieder Energie für die nächsten nicht ganz einfachen Etappen getankt. Wir werden noch einen Tag im Casa de Ciclistas in Trujillo verbringen. Der ehemalige Radprofi Lucho empfängt gerne Radnomaden nach dem Motto "mi casa es su casa". Es ist ein guter Treffpunkt für Tourenradler zum Infoaustausch. Von Trujillo fahren wir dann noch eine lange Etappe weiter durch die Küstenwueste, bevor wir wieder Richtung Berge auf eine Schotterpiste abbiegen werden. In zirka 10 Tagen wollen wir Huaraz erreichen, die Stadt zwischen den Cordillera Negra und Cordillera Blanca, und uns dort ein paar Tage für die vor uns liegenden hohen Andenpässe akklimatisieren.

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