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Wyoming und der Nordwesten Colorados Nach dem Aufenthalt und Treffen von Freunden in Idaho Falls lag unser nächstes Etappenziel nicht südlich sondern nordöstlich. Den Yellowstone Nationalpark (Wyoming) im Herbst zu erleben, mit weniger Verkehr als zur Hauptreisezeit, war ein guter Entschluss. Von Idaho Falls aus erreichten wir innerhalb 3 Tagen den Westeingang des Nationalparks. Das erste Mal mussten wir morgens eine dünne Eisschicht von der Zeltaussenwand entfernen. Mit unseren Winterhandschuhen war das kein Problem. Vor Sonnenaufgang oberhalb 1500 m ist es ziemlich frisch morgens. Manchmal dauert das Warten auf unseren heissen Pulverkaffee etwas lange, wenn der Wind die Wasserkochzeit verlängert. Gibt es sonst noch Probleme? Der blaue Himmel fast jeden Morgen versprach kein Ende der Schönwetterperiode. Was will der Radler mehr? Im Yellowstone Nationalpark erlebten wir eine andere Welt. Aus sicherer Distanz konnten wir Bisonherden beobachten. Hirsche in nächster Nähe röhrten während der Paarungszeit ununterbrochen, und Kojoten untermalten musikalisch die metallischen Klänge der Hirsche während der Nacht. Hier und dort erspähten wir einen Wolf in der Prärie. Da fällt mir ein, ein einzelner riesiger Bisonbulle stand plötzlich am Strassenrand, woher kam der so schnell? Sofort haben wir angehalten und uns ruhig verhalten. Er überquerte sichtlich nervös die Strasse und dann plötzlich im Wald, 15 m entfernt, irritiert von Auto- und uns Radfahrern, rannte er blitzartig davon, zu unserem Glück weiter in den Wald hinein. Das ging nochmal gut. Der Nationalpark ist vor allem für seine vielen Geysire bekannt. Überall sprudelt und spuckt es. Unsere Nasen erfreuten sich an den Schwefelgerüchen. An den schönsten Stellen können Besucher auf Holzstegen spazieren, um diese einzigartigen geologischen Erscheinungen zu bewundern. Es ist nicht ungefährlich dort, denn je nachdem woher der Wind bläst, könnte man heiss geduscht werden, was zu Verbrennungen führe. Ein paar wenige Impressionen könnt Ihr hier sehen. Das perfekte Radelwetter nahm eine kurze Pause, es regnete und schneite einen ganzen Tag lang. Glücklicherweise blieb der Schnee nicht liegen. Wir mussten weiterziehen, denn die Campingplätze im Park wurden am Tag unserer Abreise geschlossen. Da hatten wir Glück. Den frühen Morgen verbrachten wir zunächst mit Eiskratzen an Zelt und Rad, danach durften wir auf Einladung in der Laundry (Waschsalon) frühstücken. Bei eisigen Winden um den Gefrierpunkt starteten wir danach dick eingepackt in Richtung Teton Nationalpark, gleich angrenzend südlich gelegen vom Yellowstone Nationalpark. Es wurde leicht wärmer, und als die Sonne hervorblickte, entspannte sich unsere Fahrweise. Gleichentags verliessen wir den Teton Nationalpark Richtung Südosten. Am nächsten Morgen trauten wir unseren Augen und unseren Computern nicht. Minus 5 Grad im Innenzelt, eine Eisschicht im Innenzelt von unserem Atem. Draussen war alles weiss übergefroren. Ein strahlend blauer Himmel begrüsste uns, im Westen erblickten wir die weiss bepuderte Teton-Gebirgskette, passend für Postkartenfotografen. Die ersten 30 km kletterten wir über den ca. 2900 m hohen Togwotee-Pass. Ohne Sonnenwärme wäre das eine sehr kalte Angelegenheit geworden. Die Abfahrt vom Pass war herrlich, einfach so eine Stunde lang hinunter zu sausen. Als es nicht mehr so steil hinabging, unterstützte uns ein herrlicher Rückenwind bis Dubois, unserem Etappenziel. Dort bot uns der Hobbyradler Frank an, in seinem Haus zu übernachten. Wir nahmen das Angebot gerne an. Und zudem wurden wir von Franks Nachbarn am gleichen Abend auch noch zu einer Party eingeladen. Das war eine willkommene Abwechslung zum Radelalltag. Wyoming ist ein Cowboy-Land, und Dubois ist ein Regionalzentrum der Pferdezucht. Nebenbei, nicht weit entfernt leben auf den Höhenzügen der dortigen Rocky Mountains Wildpferde. Die nachfolgenden Etappen von Dubois bis Boulder in Colorado waren alle sehr kräftezehrend. Eine Woche lang fuhren wir bei sonnigem aber sehr windigem Wetter. Der Wind blies über die Prärielandschaft, natürlich immer von der falschen Seite. Manche Böen schubsten uns einen Meter seitwärts. Das war sehr zermürbend, brauchte viel Willenskraft. In einem Ort namens Jeffrey City gab es neben einer Tankstelle nur gerade einen kleinen Laden mit wenigen Lebensmitteln. Die Besitzerin sagte uns, wir sollen doch in die Kirche gehen und dort übernachten, der Pfarrer sei dort. Es gebe in der Kirche auch eine Küche und Dusche. Der Weg zur Kirche führte über eine Schotterstrasse. Der Pfarrer war tatsächlich anwesend und hielt uns erst einmal eine Predigt. Dann durften wir uns in der Kirche niederlassen. Zu unserer Überraschung waren aber im Kircheninneren weder Bänke noch ein Altar, nein es war ein leerer Raum ähnlich eines Spielplatzes. An der Wand hingen Basketballkörbe. Wir kochten in der Küche unser Abendessen, welches einerseits aus Griessbrei mit Birnenhälften und andererseits aus einem Reis-Gemüsegemisch bestand. Nachdem Ruth im Kircheninneren eine Maus entdeckte und sich nicht vorstellen konnte, nur mit der Matratze auf dem Kirchenboden zu schlafen, beschlossen wir kurzerhand, unsere Zelte aufzustellen, um nicht in der Nacht von den lieben Tierchen angeknabbert zu werden. Als wir die Windetappen hinter uns hatten und in Saratoga ankamen, genossen wir ein Bad in den dortigen Hot Springs. Das tat gut, um die gepeinigten Muskeln wieder etwas zu erweichen. Gebadet haben wir übrigens auch noch unfreiwillig in einem anderen Ort. In Walden, wo wir unsere erste Nacht in Colorado verbrachten, startete um 3 Uhr früh eine Duschorgie auf unsere Zelte. Einheimische empfahlen uns das Nächtigen im Stadtpark. Misstrauisch wegen des grünen Rasens suchten wir die Anlage nach Sprenklern ab, weil wir eine solche Erfahrung ja nicht das erste Mal machten. Aber wir konnten keine Anlage sichten. Pech gehabt, die Sprenkler waren versenkt. Ich machte frühmorgens Ausgleichskrafttraining für die Oberarme, schleppte grössere Steine herbei, um sie auf die Sprenkler zu legen. In Anbetracht der Jahreszeit, eventueller Wetterkapriolen, mit denen ständig zu rechnen ist und einigen Pässen über die Rocky Mountains, die wir gewählt hatten, spulten wir durchschnittlich ca. 100 km ab. Unser erster 10´000 Fuss (ca. 3000 m) hoher Pass war der Cameron Pass in den Rocky Mountains. Die über 90 km lange Abfahrt hinunter an den Fuss der Rockies war der Hit. Wieder einmal hatten wir Glück. Am Abend konnten wir uns im Ort Loveland bei einer überdachten Picknick-Anlage vor einem Gewitter mit stürmischem Wind retten, und am nächsten Morgen sahen wir Schnee auf den Bergen, wo wir tags zuvor drüberradelten. Das war knapp. Erleichtert konnten wir so in Boulder einrollen. Dort nahmen wir uns Zeit, uns zu erholen, unser Material zu checken und uns auf weitere und sicher anspruchsvolle Etappen über verschiedene Rocky Mountains-Pässe vorzubereiten. In Boulder freuten wir uns sehr, privat für ca. 1 Woche unterzukommen. Zunächst bei Lynn und Leslie, von denen wir wertvolle Informationen für unsere Reise erhielten und dankbar sind. Vielen Dank an Hugo Faas von Faascinating Concerts in Rorbas/Schweiz für die Vermittlung. Leslie und Lynn Bohm, owners of CATALYST COMMUNICATION Offers the award-winning Cycling Guide, which is a form of advertising to the bicycle industry suppliers and retailers. Also offers other publications that are helpful to cyclists. www.catacom.com (zurzeit wegen Redesign der Website keine Informationen verfügbar) Später erhielten wir die Gelegenheit, bei Meg und Dan Baum (Dan schreibt Artikel für "The New Yorker") zu Gast zu sein. Es war für uns eine grosse Bereicherung, mit Meg zu diskutieren und von ihr nach unseren bisherigen Erfahrungen eher untypische amerikanische Meinungen und Ansichten zu erfahren. Boulder ist eine lebendige Universitäts- und Radlerstadt, Radwege überall, gute Coffee Shops... Nein, das ist nicht das Einzige, aber nach all den Regionen ohne Espresso, Cappuccino und gutem Süssem, schmachtet es einem nach ein paar Goodies. Aufgefallen sind uns auch die vielen Natural Lebensmittelläden und Gesundheitsshops. Wir genossen es, seit Missoula in Montana wieder einmal in einer grösseren Stadt zu sein und ein wenig herumzustöbern. nach oben |