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9. Februar 2007 San Juan Argentinien Ruth |
Nein, wir sind nicht in der Wüste verschollen! Der 2-Tagesausflug per Bus in das Colca-Tal und den gleichnamigen Canyon war der Hit. Unsere Velos samt Gepäck lagerten während dieser Zeit im Hotel in Arequipa. Mit einem alten Bus, dessen Stossdämpfer nicht mehr die besten waren, fuhren wir frühmorgens über vorwiegend holprige Naturpiste ins Colca-Tal. Während der rasanten Fahrt flogen nur so die Steine, und Staub drang durch die offenen Fenster ins Businnere. Wir waren froh, als wir unser Ziel, das Dorf Cabanaconde, nach 4 Stunden Schüttelfahrt erreichten. Unsere müden Körper brachten wir mit einem Kaffee wieder in Schwung. Cabanaconde ist ein Dorf ohne Hektik und Lärm, was wir in anderen Dörfern und Städten in Peru anders erlebten, vor allem kein Dauer-Autogehupe war zu vernehmen. Die Leute tragen besondere Trachten und Hüte, die es nur in dieser Gegend gibt. Am Nachmittag begaben wir uns auf eine kurze Wanderung an den Canyon-Rand, genossen einen atemberaubenden Blick in die Tiefe (der Colca-Canyon soll angeblich an seiner tiefsten Stelle doppelt so tief sein wie der Grand Canyon in den USA) und schlenderten vorbei an den seinerzeit von den Inkas erbauten und von den heutigen Bewohnern des Colca-Tales immer noch für den Getreideanbau genutzten Terrassenfelder. Den Abend verbrachten wir in einem urigen Restaurant mit Feuerstelle und verspiesen das erste Mal in unserem Leben ein Alpaca-Steak. Das Fleisch war etwas trocken, der Geschmack aber sehr gut. Nicht umsonst lagen im Hotelzimmer auf jedem Bett 3 Wolldecken, denn nachts war es in Cabanaconde eisig kalt. Heizung gab es im Hotel keine. Am nächsten Morgen früh fuhren wir per Bus bis zum „Cruz del Condor“, dem Aussichtspunkt, von welchem aus wir Condore beim morgendlichen Segeln beobachten konnten. Zwei dieser Giganten zeigten sich. Später kehrten wir auf der gleichen Piste per Bus durch die bizarre Wüstenlandschaft nach Arequipa zurück. Während der Fahrt schweifte unser Blick auf den 5'822 m hohen Vulkan Misti – Wahrzeichen der Stadt Arequipa - und fuhren vorbei am „Reserva Nacional de Salinas y Aguada Blanca”, wo sich viele der Vicuñas in der Nähe des Strassenrandes tummelten. Die gleiche Strecke, die wir per Bus nun zweimal zurückgelegt hatten, wollten wir nicht auch noch mit dem Rad fahren, weshalb wir uns entschieden, von Arequipa per Bus bis nach Puno am Titicacasee zu reisen. Zudem drängte uns die Zeit etwas, weil Ersatz-Liegematten, die uns von UPS nach Arequipa hätten geliefert werden sollen, nicht eingetroffen waren. Länger wollten wir nicht mehr in Arequipa warten, da wir für Bolivien wegen der beginnenden Regenzeit bereits zu spät waren. Nun gings also weiter per Bus nach Puno. Die Liegematten orderten wir an eine dortige Hostal-Adresse. Dann kam endlich eine Mitteilung, dass der Zoll in Lima von uns noch Passkopien benötige. Um uns dies mitzuteilen, verstrichen ganze zwei Wochen. Kurzerhand entschlossen wir uns in Puno, auch noch die Stadt Cusco, ehemalige Inka-Hochburg, zu besichtigen. 10 Stunden fuhren wir mit dem Zug durch die Andentäler, erst entlang des Titicacasees, später über das Altiplano nach Cusco. Die Szenerie war einmalig, das Altiplano zeigte sich so, wie wir es uns vorstellten, ein riesiges Hochplateau mit Schaf-, Alpaca- und Lamaherden mit kleinen Hirtensiedlungen und eine endlose Weite. Ab und zu sahen wir einen Mensch irgendwo mitten in der Pampa sitzen. Immer wieder staunten wir, in welchen schwierigen Lebensbedingungen die Indigenas leben müssen. Bevor der Zug in Cusco einfuhr, trauten wir unseren Augen nicht. Am Stadtrand herrschen übelste Verhältnisse, überall liegt und türmt sich der Abfall. Unser Aufenthalt in Cusco war sehr knapp bemessen, deshalb schlenderten wir noch gleichentags am Abend durch die vielen beleuchteten Gassen und besichtigten die berühmten Inka-Mauern. Am nächsten Tag begaben wir uns frühmorgens zu den sich in Stadtnähe befindlichen Ruinen Sacsayhuaman und fuhren per Bus auch noch zu den 30 km von Cusco entfernten Ruinen in Pisac. Von dieser einst strategisch bedeutenden Inka-Festung kann man das “heilige Tal der Inkas” überblicken und ein sehr schmaler Weg führt zu einer Stelle, von welcher aus über 2’000 Höhlengräber aus der Inka-Zeit zu sehen sind. Die Wanderung dauerte über 2 ½ Stunden, es ging mehrheitlich bergab, welches uns für eine Woche üblen Muskelkater bescherrte. Am Abend wollten wir per Langstreckenbus zurück nach Puno reisen. Die Busse um 17 Uhr waren aber alle schon voll besetzt. Es blieb nur noch die Variante einer schlechteren Busklasse um 20 Uhr. Chicken-Bus-ähnliche Verhältnisse herrschten in diesem Bus. Hühner zählten zwar nicht zu den Passagieren, aber Indígenas füllten den Bus mit ihren in Tüchern eingewickelten Kindern und Utensilien. Es war das reinste Gelage, von den Düften möchten wir erst gar nicht berichten. Unterwegs stopte der Bus einige Male, diverse Leute versuchten, sich noch einen Sitz zu ergattern, doch der Chauffeur verweigerte zum Glück weitere Fahrgäste, denn der Bus platzte schon bald, so vollbeladen war er. Inzwischen waren die Liegematten in Puno immer noch nicht eingetroffen. Es bestand aber aufgrund einer Mitteilung von UPS Hoffnung, dass es in den nächsten Tagen doch klappen sollte. So nutzten wir noch einen Tag, um andere Inka-Ruinen, die Grabtürme Sillustani, die sich ca. 12 km von Puno entfernt befinden, zu besichtigen. Auf dem Weg zu diesen Grabtürmen sahen wir vom Bus aus die deutsche Radfahrerin Annette, die wir seit Panama mindestens achtmal irgendwo wieder getroffen hatten. Nun wussten wir, dass sie sich am Abend auch in Puno aufhalten wird. Wir nahmen mit ihr Kontakt auf und trafen uns am nächsten Tag im Hostal. Am Abend lieferte schliesslich UPS unsere Liegematten. nach oben Endlich gings weiter. Wir verliessen Puno und machten uns auf Richtung Bolivien. Nach 89 flachen km auf dem Altiplano erreichten wir die kleine Stadt Juli. Auf dem Hauptplatz gönnten wir uns eine Pause. Bald traf auch Annette dort ein. Und siehe da, zwei weitere Radler erschienen, als hätten wir ein Treffen vereinbart. Es war ein Paar aus der Schweiz, Selima und Walter. Zusammen fuhren wir zu einem Hostal. Der Angestellte staunte nicht schlecht, als er uns fünf vollbepackte Radler vor der Tür stehen sah. Der Zimmerbezug gestaltete sich nicht so einfach, in den einen Zimmern war zwar eine WC-Schüssel im Badezimmer, aber sie war noch gar nicht angeschlossen, zum einen Zimmer gab es keinen Schlüssel und zuletzt stellte sich heraus, dass es im ganzen Hostal sowieso erst ab 18 Uhr fliessendes Wasser geben wird. Die so ersehnte Dusche fiel somit aus. Jede Partei suchte sich erst einmal ein passendes Zimmer aus, dem Hostal-Angestellten machten wir klar, dass wir den vereinbarten Preis erst bezahlen, wenn Wasser vorhanden ist und wir duschen konnten, denn die Zimmer wurden als Zimmer mit Privatbad angepriesen. Ab 18 Uhr war, wie wir es erwartet hatten, kein Wasser vorhanden. Ein Bären-Hunger machte sich bei allen bemerkbar, so entschieden wir uns, vorerst einmal etwas essen zu gehen, bevor es in den Restaurants nichts mehr gab. Es war die richtige Entscheidung. Die ganze Nacht bis am nächsten Morgen gab es kein fliessendes Wasser. Der Fall war klar, wir bezahlten nur die Hälfte des vereinbarten Preises, was der Hostal-Angestellte natürlich nicht schätzte. Leider trennten sich die Wege von uns und Selima und Walter schon wieder, sie machten sich auf den Weg Richtung Peru. Wir fuhren mit Annette weiter, hatten beschlossen, gemeinsam bis La Paz zu radeln. Der letzte Tag unserer Reise durch das wunderschöne Peru war angebrochen. Wenn wir in Peru durch einsame Dörfer radelten, fürchteten sich einige Kinder vor uns und versteckten sich hinter Felsen oder sprangen in ihre Häuser. Einmal bewaffnete sich ein Junge sogar mit einem grossen Stein und begab sich auf einen Felsen, als wir angefahren kamen. Wir versuchten mit einem Lächeln oder Gruss das Eis zu brechen, um den Kindern und auch Erwachsenen die Angst vor dem Unbekannten zu nehmen. Oft gelang dies auch. Viele Gringo-Rufe mussten wir auch in Peru über uns ergehen lassen. Und einige Male, wenn wir an einem Ort ankamen, hörten wir jemanden sagen, "la plata llega" was übersetzt heisst: das Geld ist angekommen. Solche Situationen gaben uns zu denken. Peru ist ein Land reich an Bodenschätzen. Das Problem ist, dass Vieles in ausländischem Besitz ist und das Geld wegen der korrupten Regierung in falsche Hände gelangt. Die Menschen schuften, kommen zu nichts und haben keine Aussicht auf eine bessere Zukunft. nach oben Bolivien Copacabana war unser erstes Ziel in Bolivien. Die Stadt liegt 8 km vom Grenzort Kasani entfernt am Titicacasee und gilt als bedeutendster Wallfahrtsort Boliviens. In einer Basilika befindet sich die Figur der „Dunklen Jungfrau“, auch „Virgen de Copacabana“ genannt. Die Figur wurde 1576 von einem Indio aus dunklem Holz geschnitzt und trägt eine Krone aus purem Gold. Der Figur werden zahlreiche Wunder und Heilungen zugeschrieben und sie wird als Schutzheilige des Titicacasees verehrt. An Wochenenden reisen zahlreiche Familien aus ganz Bolivien und Peru in die Stadt und lassen ihre Autos segnen. Der Segen wird sowohl von einem Mönch als auch von einem Schamanen erteilt. In Copacabana verbrachten wir einen Tag. Mit Annette unternahm ich einen Ausflug auf die Isla del Sol, wo sich der Geburtsort der ersten Inkas befindet. Copacabana selber ist ein Touristenort, der gerne von Backpackern besucht wird. In einem Garten vor dem Hotel Cúpula, welches von einem Deutschen geführt wird, durften wir gratis zelten, mussten nur für die Benützung der sanitären Anlagen etwas bezahlen und hatten vom Zeltplatz einen fantastischen Blick auf die Stadt. Zudem verwöhnten wir uns wieder einmal mit gutem Essen. Auf der Speisekarte standen einige deutsche Gerichte, so unter anderem Kartoffelsalat und Bratkartoffeln mit Spiegelei. Ab und zu freuen wir uns halt doch, wenn wir irgendwo etwas Heimisches verzehren können. Über Huatajata fuhren wir in zwei Tagen nach La Paz, wo wir planten, die Weihnachtstage zu verbringen. Annette hatte eine Kontaktadresse in La Paz. Zusammen mit ihr wurden wir von Hugo Richter und seiner Familie eingeladen, die Weihnachtstage bei ihnen zu feiern. 3 Tage blieben wir bei der Familie Richter, die uns sehr nett bewirtete und um unser Wohl äusserst besorgt war. Herzlichen Dank noch einmal an Blanca und Hugo für die Gastfreundschaft! La Paz liegt auf 3'600 m ü.M. und ist die grösste Stadt Boliviens. Hinter der Stadt kann man bei schönem Wetter den majestätischen, 6’439 m hohen Berg Illimaní erblicken. Von El Alto am Stadtrand bis ins Zentrum ging es 800 m bergab. Wir wussten, dass wir diese Höhenmeter beim Verlassen der Stadt wieder erklimmen müssen. An einem Tag besuchten wir in der Innenstadt das kleine, aber sehr informative Kokamuseum. Die Entwicklung über den Anbau dieser berüchtigten Pflanze wird dort detailliert dokumentiert. Beeindruckend war vor allem zu lesen, dass 50 % des gesamten auf der Welt angebauten Kokas vom grössten Gegner resp. Vernichter der Pflanze, nämlich von den USA, konsumiert werden. Wie bereits in den Ländern Ecuador und Peru kochten wir auch in Bolivien Kokatee und kauten die Blätter, um uns vor Höhenkrankheit zu schützen. Der Tee schmeckt übrigens sehr gut. Speziell war nur, dass man die Blätter nicht von einem Land ins andere mitnehmen durfte, da dies nach den jeweiligen Ländergesetzen illegal ist. Man kann die getrockneten Blätter aber ohne Probleme überall auf den Märkten und in Läden kaufen. Tee wird sogar in den Supermärkten in Beuteln angeboten. Eine wirklich seltsame Politik. Am 25. Dezember verliessen wir La Paz Richtung Calamarca. Unterwegs wurden wir mehrfach von bettelnden Kindern, die in Scharen zum Strassenrand sprangen, und zum Teil auch von Erwachsenen, mit vorgehaltenen Mützen angesprochen „regalo me“ (beschenke mich). Wir wären mit Beschenken nicht mehr fertig geworden, hätten wir erst einmal damit angefangen. Einige warfen uns Steine hinterher oder beschimpften uns. Unser Gefühl in dieser Situation war nicht das beste. Annette, die an diesem Tag alleine fuhr, ging es nicht besser. Wir trafen uns wieder auf dem Dorfplatz. Nach dem Einkaufen suchten wir einen Übernachtungsplatz und durften schliesslich mit unseren Zelten in einem Kirchengarten campen. Am nächsten Tag erlebten wir gleiche Situationen mit bettelnden Kindern und Steinewerfen noch einmal, aber doch nicht so gehäuft wie am Weihnachtstag. Diese Erlebnisse gaben uns zu denken und drückten auf unsere Stimmung. Über Caracollo und Oruro fuhren wir nach Challapata. Die letzten km bis dorthin erschienen uns endlos. Schon von weitem sahen wir den Ort, doch er wollte einfach nicht näher kommen. Bei der Kirche und im Spital fragten wir an, ob wir campen dürften. Schliesslich lud uns eine Spitalangestellte zu sich nach Hause ein. Wir durften in einem Vorratsraum auf unseren Matten schlafen. Dort erlebten wir hautnah, wie schwierig es die Leute mit der Wasserversorgung haben. Um 16 Uhr nachmittags wurde im ganzen Ort das Wasser abgestellt und erst am nächsten Morgen um 7 Uhr wieder eingeschaltet. Es funktioniert keine WC-Spülung und gar nichts. In Challapata entschieden wir uns wie Annette, entlang der geteerten Strasse, durch die Dörfer Ventilla und Yocalla, zur Silberminenstadt Potosí hoch zu fahren, und den Jahreswechsel dort zu feiern. Eine super Strecke, vorbei an roten Felsformationen, die uns an Utah/USA erinnerten und vorbei an vielen Alpacaherden, aber wieder mit vielen Höhenmetern verbunden. Als wir in Ventilla ankamen, wurden wir von Kindern umzingelt, deren Aussehen uns deutlich machte, wie arm dieser Ort sein musste. Sie waren von Kopf bis Fuss schmutzig, trugen zum Teil verlöcherte Kleidung, ein trauriger Anblick. In einem Schulzimmer durften wir uns niederlassen und die Nacht verbringen. Die Kinder beobachteten uns eine Weile durch die zum Teil zerbrochenen Fensterscheiben. Die Räume des Schulhauses sahen übel aus. In einem Lebensmittelladen erkundigten wir uns am nächsten Tag, wo wir denn unseren Abfall entsorgen könnten, worauf die Besitzerin des Ladens in einer Selbstverständlichkeit antwortete, ich soll den Sack einfach in den Fluss werfen. Der nächste Ort, Yocolla, sah zumindest etwas besser aus. Dort campten wir auf dem Dorfplatz und waren auch wieder von Kindern umgeben, die uns mit Fragen bombardierten. Für sie war es eine Abwechslung und natürlich sehr interessant zu sehen, wie wir kochten. Wir verteilten Biskuits und Reste unseres Abendessens, bestehend aus Würstchen und Teigwaren mit Tomatensauce. Bis am späten Abend spielte Horst dann noch mit den Kindern Fussball, sie hatten sichtlich Freude. Auch in Yocolla sollten wir den Abfall einfach im Fluss entsorgen. Schliesslich erreichten wir Potosí. Touristenattraktion von Potosí ist der Besuch der Silbermine des Cerro Rico. Der Besuch der Mine ist umstritten, weil die Minenarbeiter dort unter miesesten Bedingungen arbeiten. Zum Teil wird in Reiseführern empfohlen, dass man als Besucher den Arbeitern Zigarretten, Kokablätter oder sonst etwas mitbringen sollte. Kokablätter kauen die Arbeiter, um Ausdauer und Leistungsfähigkeit zu steigern. Wir wollten dies nicht unterstützen und verzichteten auf eine Besichtigung der Mine. Geöffnete Restaurants waren am Silvester-Abend rar. Wir fanden nach längerem Suchen aber doch ein gemütliches Lokal und lernten Franziska und Till aus Deutschland kennen, mit welchen wir zusammen mit Annette unsere Reiseerlebnisse austauschten. Später zügelten wir mit Annette in eine Bar, wo wir mit Cuba Libre auf das neue Jahr anstiessen. Am 2. Januar reservierten wir 7 Sitzplätze in einem Bus für die Strecke von Potosí nach Uyuni. Wir wollten unsere Velos wegen möglichen Schäden nicht im normalen Gepäckabteil unten im Bus transportieren lassen. Nun trennten sich die Wege von Annette und uns wieder, denn sie wollte diese Strecke mit dem Rad fahren. Die Fahrt nach Uyuni dauerte 6 Std. Die 215 km lange Strasse war eine Wellblechpiste mit Sandpartien. Diese Strapazen wollten wir uns ersparen. Passagiere und Velos wurden im Bus ordentlich durchgeschüttelt. Immer wieder musste Horst die Velos richtig positionieren, damit die Rahmen und anderen Teile nicht aneinander scheuerten. Uyuni ist eine Wüstenstadt und Ausgangspunkt für Touren auf den riesigen Salzsee „Salar de Uyuni“ und zu den Lagunen Colorada und Verde. Wir verbrachten ein paar Tage dort um ein wenig zu relaxen und Infos über die geplanten weiteren Strecken einzuholen. Gleich am ersten Abend lernten wir Udo Kolb aus Konstanz in einer Pizzeria kennen. Auch er war mit dem Fahrrad unterwegs. Wir genossen den entspannten Abend mit ihm, an Gesprächsstoff fehlte es jedenfalls nicht. Aber nicht nur um Infos zu sammeln, hielten wir uns länger in Uyuni auf. Dort gibt es nämlich noch eine andere Pizzeria, die Pizzeria "Minuteman", die vom Amerikaner Chris und seiner bolivianischen Frau geführt wird. Wer sich dort verirrt (im hinteren Teil des Toñita-Hotels, Av. Ferroviaria #60), kann sich kaum mehr von Uyuni lösen. Die Pizzas sind einfach der Hit, aber auch alle anderen Gerichte, die auf der Speisekarte stehen, und Horst zogen die feinen grossen Cookies wie ein Magnet ins Lokal. Chris und seine Frau sind sehr sympathisch und wenn es ihnen die Zeit erlaubt, unterhalten sie sich gerne mit ihren Gästen. Jeder Tourenradler träumt davon, einmal den Salar de Uyuni mit dem Rad zu überqueren. Auch wir wollten uns dieses Erlebnis nicht entgehen lassen, den See zu überqueren und über eine Piste nach Chile zu gelangen. Die Voraussetzungen schienen gegeben zu sein. Die Einheimischen sagten uns, der Salzsee sei vollständig trocken, es hätte seit längerer Zeit nicht geregnet. Wir entschlossen uns, es zu wagen und fuhren am darauffolgenden späteren Nachmittag bis zum nächstgelegenen Ort Colchani. Wir planten, die Nacht dort zu verbringen und frühmorgens zu starten. Ausgerechnet an diesem Abend zogen schwarze Wolken auf. Die Nacht in Colchani verbrachten wir in einem aus Salzblöcken erbauten Hotel, schliefen allerdings dort nicht in einem Zimmer, sondern in einem sich noch im Bau befindlichen Raum auf unseren Liegematten, denn das Hotel war offensichtlich nicht oder noch nicht in Betrieb. Es war für uns ein perfekter, vor allem trockener Schlafplatz. In der Nacht regnete es wie befürchtet in Strömen und wir hatten grösste Bedenken, dass wir unser Unternehmen überhaupt noch starten können. Am nächsten Morgen informierte uns die Hotel-Leiterin, die Wetterprognosen seien nicht schlecht, wir könnten fahren. So entschlossen wir uns, es zumindest zu versuchen. Das Gefühl, als wir am Rande dieses riesigen Salzsees standen, kann ich kaum beschreiben. Auf einer Steintafel war von Hand gezeichnet eine Skizze mit Wegen, die zu verschiedenen Stellen auf dem See führen sollen. In Wirklichkeit sahen wir aber nur eine weisse Fläche mit Hexagonmuster, ein paar Jeep-Spuren und sonst gar nichts. Die Vorstellung, 2 Tage auf dieser Fläche ohne wirkliche Orientierungsmöglichkeiten zu fahren, war etwas unheimlich. Wir fuhren los und fanden die Spur, die bis zum 15 km entfernten Salzhotel führte, unsere erste Anlaufstelle auf dem Salar. Eine von den vielen Touristen-Jeeps deutlich eingefahrene Spur war zu erkennen, sonst konnten wir uns nach nichts orientieren. Die Berge, die man in weiter Ferne sehen konnte, halfen nicht viel, denn die Distanzen und Richtungen sind ohne GPS oder Kompass (wenn er denn auf dem Salz ueberhaupt funktioniert) nicht möglich abzuschätzen. Das Gefühl während der Fahrt auf der Salzfläche bis zum Salzhotel war einfach super. Dort erkundigten wir uns nach der Spur Richtung Kaktus-Insel (genannt Isla de Pescadores), die sich ca. 65 km vom Salzhotel entfernt befindet, aber natürlich nicht zu sehen war. So fuhren wir motiviert weiter. Bereits nach 5 km war der See aber mit Wasser bedeckt. Wir fuhren noch weitere 5 km in ca. 5 cm tiefem Wasser und es wurde immer unheimlicher. Um uns spiegelte es nur noch, die Kulisse war einzigartig, aber die Spur der Jeeps kaum mehr zu erkennen. Zudem konnten wir das bisherige Tempo nicht mehr halten, nur noch höchstens 8 km/h wären möglich gewesen. Als wir ausrechneten, wie lange wir noch bräuchten für die restlichen ca. 60 km bis zur Insel, verliess uns die Abenteuerlust langsam. Ein Jeep näherte sich uns und wir waren für die Touristen in diesem Moment die Fotoattraktion. Wir fragten den Guide, ob der See bis ans andere Ufer mit Wasser bedeckt sei, was er uns bestätigte. Unsere Velos wollten wir nicht durch das Salzwasser zerstören und auf der anderen Seite uns selber auch nicht in Gefahr bringen. Wir entschlossen uns, das Salzabenteuer abzubrechen und nach Uyuni zurückzuradeln. Dort konnten wir die Velos bei einer Autowaschanlage mit Hochdruck abspritzen. Wir waren beide bis zu den Knien weiss vom Salz. Das Erlebnis möchten wir aber dennoch nicht missen, es war einzigartig. Die Rückkehr nach Uyuni hatte auch eine positive Seite, wir konnten uns am Abend ein weiteres Mal mit einer feinen Pizza und anderen Köstlichkeiten beim Minuteman erlaben ... Da das Wetter in Bolivien immer schlechter wurde, entschlossen wir uns, das Land auf schnellstem Weg zu verlassen, bevor es durch die Schlammstrassen kein Durchkommen mehr gab, denn die bolivianischen Strassen sind grösstenteils nicht geteert. Es regnete von Tag zu Tag mehr. Trotz allem konnten wir ein grosses Stück dieses Landes kennenlernen und einen Eindruck über das Leben der Bolivianer gewinnen. Die politische Lage in Bolivien ist äusserst unstabil, mehrfach hörten wir von einer drohenden Spaltung des Landes zwischen dem Hoch- und Tiefland. Später hörten wir von Strassenschlachten und -blockaden in Cochabamba und Unruhen in La Paz. Von Uyuni fuhren wir mit dem Zug 150 km nach Avaroa und setzten unsere Reise mit dem Velo fort. Im 5 km entfernten Ort Ollagüe erreichten wir die Grenze zu Chile. nach oben Chile Nach Chile durften wir weder Früchte, Gemüse, Gewürze, Teebeutel, Kokablätter noch andere landwirtschaftlich verarbeitete Produkte einführen. Das erste Mal auf dieser Reise mussten wir an einer Grenze länger anstehen, das Gepäck jeder Person wurde genau inspiziert. Als wir endlich dran waren, mussten wir unsere Taschen vom Rad nehmen und sie auf dem Tresen hinstellen. Ich erklärte dem Beamten, dass wir verschiedene Dinge wie Teebeutel, Gewürze und Haferflocken dabei hätten. Er warf zwar einen kurzen Blick in alle Taschen, wollte aber nichts wirklich ansehen. Wir konnten alle Taschen wieder aufs Rad packen und passieren. In Ollagüe, ein trockener staubiger und auf den ersten Blick scheinbar menschenleerer Wüstenort, entdeckten wir ein Lokal und assen eine Suppe mit Kartoffeln und einem, mehr aus Fett bestehenden, Fleischstück. Die Portion war aber so klein, sie reizte nur gerade unseren Magen, stillte aber nicht unseren Hunger. Im nächsten Laden, der nicht so einfach zu finden war, deckten wir uns mit ein paar Lebensmitteln ein und beim Gemeindehaus füllten wir unsere Flaschen und den Wassersack mit Wasser für die nächsten Tage, denn die Leute sagten uns, bis zur 200 km entfernten Stadt Calama gebe es kaum mehr Möglichkeiten, Wassernachschub zu besorgen. In unserer Strassenkarte waren zwar kleinere Orte eingezeichnet, aber wir konnten uns nicht darauf verlassen, dass es da wirklich Wasser gibt. Durch eine gigantische Landschaft mit weiss bepuderten Vulkangipfeln, fuhren wir vorbei am Salar de Ascotán, an farbigen Lagunen, sahen pinkfarbene Andino Flamingos und unzählige Vicuñas. Die Schotterstrasse war teilweise sehr schlecht. Nach 84 km erreichten wir endlich die auch wieder menschenleer scheinende Eisenbahnstation San Pedro. Dort waren Arbeiter damit beschäftigt, alte Bahnlinienteile auszuwechseln. Lediglich zwei Leute sollen noch in dieser kleinen Häuseransiedlung leben. Wir stellten windgeschützt hinter zerfallenen Gebäudemauern unser Zelt auf. Am Abend durften wir die Küche der Arbeiter benutzen. Sie bereicherten unser Abendessen mit Brötchen, Fischbouletten und warmem Tee. Den ganzen Abend sassen wir mit ihnen in dieser Küche und unterhielten uns. Von San Pedro fuhren wir weiter nach Calama, 87 km, wovon die letzten 50 km glücklicherweise geteert waren, für welche wir aber wegen des äusserst harten Gegenwind ca. 4 Stunden benötigten, ein Vorgeschmack auf Patagonien. Als wir den Stadtrand von Calama erreichten, war Horsts Velo kaum mehr zu lenken, irgend etwas an seinem Steuerlager stockte. Und wieder hatten wir Glück, es gab in der Stadt ein Fahrradgeschäft. Das untere Steuerlager war tatsächlich defekt und musste ersetzt warden. Im Hostel in Calama lernten wir den deutschen Radfahrer Adam aus Friedrichshafen kennen. Er sass im Innenhof des Hostels am Boden, um ihn herum Teile der Ausrüstung und des Fahrrades. Adam war gerade damit beschäftigt, sich auf den Flug von Calama nach Santiago vorzubereiten und dafür musste das Fahrrad mit Anhänger samt Ausrüstung entsprechend gepackt werden. Mit Adam verbrachten wir dann einen schönen Abend und wir freuen uns schon heute darauf, ihn in Friedrichshafen oder in der Schweiz wieder einmal zu treffen. In Chile ist es Sommer, Temperaturen über 40 Grad sind normal. Mit der Hitze mussten wir uns aber erst wieder vertraut machen. San Pedro de Atacama war unser nächstes Ziel, ca. 100 km von Calama entfernt. Ein Touristenort, der uns überhaupt nicht gefiel. Es ist der Ausgangspunkt für Touren ins Valle de la Luna (bei Sonnenuntergang kann man dort ein traumhaftes Farbenspiel der Felsen geniessen) und den Salar de Atacama und zu den Tatio-Geysiren. Auch ein paar andere Fernradler fanden sich dort ein. Der Brasilianer Leandro, der mit uns einen Tag in San Pedro auf dem Campingplatz verbrachte und mit welchem wir uns soweit es ging nur in Spanisch unterhalten konnten, und der Schweizer Lionel, den Horst beim Einkaufen in San Pedro traf. Um nach Argentinien zu gelangen, mussten wir den Paso de Jama überqueren, die höchste Stelle ist über 4´700 m. Dies bedeutete, mindestens 2’400 m zu steigen. Unterwegs holte uns Lionel ein. Es war der schwierigste Pass der ganzen Reise. Wir schafften nur gerade 42 km an einem Tag, die Steigung war im Durchschnitt 8 %. Am späteren Nachmittag fing es dann auch noch an zu regnen und es wurde bitterkalt. Kurzentschlossen stellten wir unser Zelt am Strassenrand auf und mummelten uns in unseren Schlafsäcken ein. Eine Polizeipatrouille erkundigte sich nach unserem Befinden. Der Beamte fragte uns, ob wir wüssten, dass es nach dem Regen schneien könnte und dass es zwischen San Pedro und Paso de Jama keine Kommunikationsmöglichkeiten mehr gebe. Als wir dies bestätigten und ihn beruhigten, dass unsere Ausrüstung wintertauglich sei, lachte er, schüttelte den Kopf und verabschiedete sich. Wir kochten nicht, verzichteten aufs Nachtessen, es war einfach zu kalt, um sich wieder aus dem Schlafsack zu begeben. Lionel fuhr noch ein paar km weiter. Am nächsten Tag erklommen wir die restlichen Höhenmeter, genossen wieder super Blicke auf die umliegenden schneebedeckten Vulkane, u. a. den fast 6'000 m hohen Vulkan Licancábur. An diesem Tag hatte Horst wieder mit der Höhe zu kämpfen. Leider hatten wir keine Kokablätter dabei. Nach ein paar Stunden ging es ihm aber besser und er fuhr wieder wie in seiner alten Form die Berge hoch. Endlich ging es dann hinunter zum argentinischen Grenzort Jama. Unsere Ausreisestempel vom chilenischen Zoll mussten wir bereits in San Pedro de Atacama besorgen, denn am Paso de Jama gibt es keine chilenische Zollstelle. Nun haben wir also das letzte Land unserer Reise erreicht, ein seltsames und zugleich überwältigendes Gefühl. nach oben |